Millingen

… gehört zur Stadt Rees im Kreis Kleve

Landkreis Rees

von Karl Gockel

(Die Beträge vom „Millinger Meer“ und von der „Vehlinger Schweiz“ lieferten G. Pastoors und L. Terhorst)

Allgemeine Betrachtungen

Nicht die schlechtesten Perlen in der Schnur der Dörfer, die sich zwischen Wesel und Emmerich aneinanderreihen, sind die Gemeinden des Amtsbezirkes Millingen. Im Norden an das Nachbarland Holland angrenzend, im Osten vom westfälischen Städtchen Anholt und dem kleinen niederrheinischen Städtchen Isselburg, im Süden von Gemeinden des Amtes Haldern und im Westen von der Gemeinde Bienen begrenzt, liegt, etwa 5 km ostwärts des Rheinstroms, das Amt Millingen. Es umfaßt eine Flächengröße von 2600 ha und hat 3531 Einwohner. Zu dem Amte gehören die Gemeinde Millingen, Hurl, Heelden und Vehlingen.

Im Einzelnen entfallen auf (1955)

 

Ort

Einwohner

Fläche km²

Millingen

1860

7,77

Hurl

630

4,53

Heelden*

540

6,21

Vehlingen*

501

7,49

Einwohner Millingen 2001
ca. 3100
7,78
Einwohner Millingen 2002
3106
7,78
Einwohner Empel 2002
388
4,53
Einwohner Millingen 2006  2825  7,78
Einwohner Empel 2006  421  4,53
Einwohner Millingen 2009  2988  7,78
 Einwohner Empel 2009  468  4,53
Einwohner Millingen 2023 (01.07.2023)  3033  7,78
 Einwohner Empel 2023 (01.07.2023)  505  4,53

* jetzt Kreis Borken

Verkehrslage

Millingen kann sich rühmen, seit dem 17. Mai 1953 Bahnstation geworden zu sein. Die Hauptverkehrslinie stellt auch die Bundesbahnstrecke Oberhausen-Wesel-Emmerich dar. An ihr liegen die Bahnhöfe Empel-Rees und seit 1953 auch Millingen. Von Empel-Rees aus ist das benachbarte Rees mit der Kleinbahn zu erreichen, während eine Omnibuslinie Empel-Rees/Millingen/Vehlingen/Anholt/Bocholt dafür sorgt, daß eine gute Verbindung zu dieser nächsten größeren westfälischen Stadt gewährleistet ist. Die Bundesbahnstrecke Empel-Rees/Vehlingen/Isselburg/Bocholt ist dagegen von untergeordneter Bedeutung. Als die wichtigsten Verkehrsstraßen sind die Bundesstraßen 67 (Rees-Hurl-Heelden-Isselburg-Bocholt) und die Landstraße I. Ordnung Nr. 470 (von der B 8 Bienen-Millingen-Vehlingen-Anholt), Nr. 469 (Millingen-Hurl), Nr. 458 (Millingen-Heelden), und Nr. 459 a (Millingen-Hurl-Haldern) erwähnenswert. Bei der Realisierung des allseitig erwarteten Autobahnprojektes Oberhausen-Emmerich wird auch der Amtsbezirk Millingen mit den Gemeinden Heelden, Vehlingen und Millingen von dieser großen Straße berührt. Es ist vorgesehen, daß in der Gemeinde Heelden eine Ausfahrt geschaffen wird, um insbesondere den Verkehr aus dem benachbarten westfälischen Raum aufnehmen zu können.

Bodenstruktur und Wirtschaft

Das Flachland bestimmt die Landschaftsform. Es wird in Vehlingen bereichert durch ein umfangreiches Waldgebiet, das sich bis an die Grenze des westfälischen Raumes Anholt hinzieht. Die Gemeindegebiete Heelden und Vehlingen und große Teile der Gemeinde Millingen werden landwirtschaftlich genutzt. Während in der größten Gemeinde, in Millingen, eine gut entwickelte Tischfabrik vorhanden ist, konnten bisher weitere Industriebetriebe noch keinen Fuß fassen. Neben der Landwirtschaft stellt das Handwerk und der Handel den wesentlichsten Teil der Wirtschaftsfaktoren in der Gemeinde Millingen dar. Die Gemeinde Hurl (Bahnstation Empel-Rees) dagegen kann schon fast als Industriegemeinde angesprochen werden, obgleich auch dort größere Landwirtsbetriebe vertreten sind. Im Süden dieser Gemeinde sind die „Panneschöppers“, d. s. Dachziegelwerk, zu Hause. Blaue und rote

Ziegel, maschinell und in Handstrichverfahren hergestellt, verlassen in millionenfacher Anzahl jährlich die dort ansässigen 4 Dachziegelwerke. Beachteswert und in stetiger Entwicklung begriffen ist die Fa. Eisengießerei Kraska. Aus der ehemaligen Prinz-Leopold-Hütte, die durch Kriegsereignisse fast restlos zerstört wurde, hat die Fa. Kraska wieder einen Betrieb entwickelt, der sich durchaus sehen lassen kann. Es sind gute Aussichten vorhanden, daß sich das Werk noch weiter vergrößern wird.

Im übrigen ist es in der früher so blühenden Gemeinde Empel-Hurl, die einstmals als Mittelpunkt des nördlichen Kreisgebietes als Tagungs- und Veranstaltungszentrum galt, ruhig geworden. Verheerende Kriegsschäden, die Säle und Veranstaltungsräume zerstörten, sowie die stete Zunahme des Kraftverkehrs, die den Bahnstationsmittelpunkt stark beeinträchtigte, haben hier wohl den wesentlichen Anteil.

Obgleich die typische Niederrheinlandschaft, weite Ebenen und landwirtschaftliche Besiedlung, große Teile des Amtsbezirkes mit Ausnahme des Ortskernes Millingen, das Gepräge geben, verfügt das Amtsgebiet jedoch auch über Sehenswürdigkeiten in der Natur und über einige Baudenkmale. Da ist zunächst in Millingen zu nennen

 

„Das Millinger Meer“

Die im Volksmund übliche Bezeichnung „Meer“ für die Rheinaltwässer, wie z.B. das Millinger Meer, das Hurler Meer, das Hagener Meer usw. sind auch in den alten Landkarten mit diesen Namen vermerkt. Viele der Rheinaltwässer sind inzwischen verlandet und nur noch Wassertümpel, die mit ihrer Weiden, Pappeln und Heckengebüsch zur niederrheinischen Landschaft gehören. Das Millinger Meer und das mit ihm verbundene Hurler Meer schließen wegen ihrer großen Tiefe auf unabsehbare Zeit die Gefahr einer Verlandung aus. Aus diesem Grunde wurden diese Wässer in einer Ausdehnung von 68 ha im Jahre 1934 zum Naturschutzgebiet und zur Vogelfreistätte erklärt. Damit sollen den noch reichlich vorhandenen Wasservögeln Heim- und Niststätten geboten werden. Wer am frühen Morgen eines warmen Sommertages einen Spaziergang an den Ufern des Millinger Meeres gemacht hat, wird diese Maßnahme verstehen, denn gerade dann kann man am besten die Vogelwelt belauschen. Wenn die ersten Sonnenstrahlen die über dem Wasser liegenden Nebel zerschneiden, tauchen sie vorsichtig aus dem reichen Schilfbestand der Ufer auf, und hinaus geht’s auf die spiegelglatte Wasseroberfläche des Meeres. Außer den Wasservögeln, Rohrdommeln, Haubentauchern, Fischreihern, Bläßhühnern, Krik- und Knabenten usw. finden auch die Landvögel im Heckengebüsch der Ufer Zufluchts- Wohn- und Brutstätten.

Aus den, aus den Jahren 1913 bis 1933 vorhandenen Aufzeichnungen sind auf dem Meer und im Schilfbestand 12 verschiedene Arten von Brutvögeln heimisch. 11 Vogelarten nisten an den Ufern und 38 verschiedene Vogelarten besuchen das Millinger- und Hurler Meer als regelmäßige Sommer-, Herbst- und Wintergäste.

Außer der zahlreichen Vogelwelt ist auch ein reicher Fischbestand vorhanden. Trotzdem die Raubfische Hecht, Zander und Barsch häufig auftreten, finden sich in den Gewässern Rotaugen, Karpfen, Karaschen, Bresen, Aale und Schleie.

Noch im vorigen Jahr war dem Pächter des Hurler Meeres das Angelglück hold. Er brachte einen Hecht von 18 Pfd. Gewicht an Land.

Doch auch der Mensch soll sich an dem herrlichen großen Wasser des Millinger Meeres erfreuen und erholen können. So wurde vor einigen Jahren im Millinger Meer ein Strandbad errichtet. Durch die natürliche Wasserregulierung bleibt das Wasser des Strandbades stets frisch und sauber. Für zahlreiche Freunde des Schwimmsportes bietet das Bad einen idealen Tummelplatz. Man kann wohl ohne Übertreibung behaupten, daß das Strandbad in der Umgebung nicht seinesgleichen findet.

Der Wasserspiegel des Millinger Meeres reguliert sich durch die kanalartig angelegte Landwehr, auch „Lander“ genannt. Die Landwehr fließt aus dem Millinger Meer nordostwärts, wo sie bei Pahlshof in Richtung Emmerich zwischen Deutschland und Holland die Grenze bildet. Sie mündet in das Mettmeer, nimmt alsdann ihre Flußrichtung wieder auf und fließt an dem Löwenberg bei Emmerich in den

Rhein. Die Landwehr wurde von den Römern erbaut und diente ursprünglich bei kriegerischen Auseinandersetzungen als Verteidigungslinie. Sie hat an der früheren. Breite sehr eingebüßt, denn bis zum Jahre 1648 war sie von Emmerich bis Pahlshof schiffbar.

Alsdann darf für die Freunde des Waldes auf die ausgedehnten Waldungen im Bezirk der Gemeinde Vehlingen hingewiesen werden. In diesem Gebiet befindet sich auch

„Die Vehlinger Schweiz“

Inmitten eines Wassers (Rest alter Moortümpel, deren es in der Gemeinde Vehlingen mehrere gibt) wurde das Schweizerhaus auf künstlichen Felsblöcken als Holzhaus erbaut. Dieses Holzhaus weist sehenswerte Verzierungen auf und tragt am nördlichen Giebel die Inschrift: „Tu was soll, komm was woll“.

Die Anlage der „Schweiz“ mit dem Schweizerhaus wurde im Jahre 1893 vorgenommen. Dieses geht aus einer in Stein gehauenen Inschrift in den Fundamenten des Schweizerhauses hervor, die lautet: Erbaut zur Erinnerung an die Schweizer Reise S. Durchlaucht des Fürsten Leopold und 1hrer

Durchlaucht der Fürstin Eleonore zu Salm Salm im Jahre 1893″. Die an den Ufern des Wassers künstlich errichteten Felsen wurden bei Anlage der Schweiz von den Bauern mit Pferdekarren als schwere Teilstücke vom Bahnhof in Empel herangefahren. Man kann wohl sagen, daß die Nachahmung des Vierwaldstätter-See’s gut gelungen ist. In den ausgedehnten Parkanlagen befand sich ursprünglich 1 Rudel Damwild, das jedoch durch Kriegseinwirkungen vertrieben bzw. von der Besatzungsmacht erlegt wurde. Die Kriegshandlungen gingen auch an der sonst so ruhig gelegenen Schweiz nicht vorüber. Die Anlagen, vor allem der Baumbestand und das schöne Häuschen wurden durch Artilleriebeschuß schwer beschädigt. Die Instandsetzung des Hauses in früherer Form, wie auch der Anlagen, wird z. Zt. durch den jetzigen Fürsten Nikolaus zu Salm Salm vorgenommen. Als Verbindung vom Ufer zum Schweizerhaus ist jetzt eine massive Holzbrücke errichtet, neben der jedoch auch eine Ponte wie in der Zeit vor dem Kriege verkehren soll. In dem Teich befinden sich z. Zt. 6 Nutria-Sumpfbiber, die diesen Teich, der in den letzten Jahren stark mit Schilf bewachsen war, entschilfen sollen. Die vom Kriege stark mitgenommenen Bäume wurden gefällt und neue Anpflanzungen vorgenommen.

Nach gründlicher Übereilung und Instandsetzung ist beabsichtigt, die Schweiz als Ausflugsort für die Bevölkerung freizugeben, die gerade heute in dem Hasten und Lärmen der Zeit mehr denn je einer Ausspannung und Erholung bedarf. Eine solche Erholungsstätte mit schönen und gepflegten Anlagen (u. a. mehrere alte Holzbrocken mit Natur- Geländern) wie die Vehlinger Schweiz, wird es in näheren Umgebung kaum geben.

Baudenkmale

in mitten des Ortes Millingen erhebt sich die älteste Kirche, die noch im Kreise Rees zu finden ist. Schon 720 wird in alten kircheUrkunden eine Basilika in der demGrafen Ebroin gehörigen „Villa Millingi“ genannt. Im Jahre 1069 bestätigt Papst Alexander 11. der Abtei Echternach den Besitz der Kirche, die 1120 der Scholasterie in Xanten untersteht. Dann wird zum Beginn des 15. Jahrhunderts das Gotteshaus als Säulenbasilika erneuert und ihr später ein breiterer Ostteil angefügt. Über 1200 Jahre hat die Millinger Kirche allen Stürmen standgehalten, und auch die Geschehnisse des in den Märztagen 1945 haben sie nur schwer angeschlagen. Die sind inzwischen beseitigt worden. Die Millinger Pfarrkirche, dem hl. Quirinus geweiht, ist ein dreischiffiger Bau aus zwei deutlich getrennten Teilen. Der ältere Teil ist aus Tuff erbaut, der neuere nur bis zu den Sohlbänken der Fenster aus Tuff, darüber aus Backsteinen. Auch der 4-stackige Turm ist zu einem Teil in Backstein errichtet, während der untere Teil aus Tuff gebaut wurde.

In Empel ist das Schloß Empel, heute im Böcker’schen Besitz, zu nennen. Idyllisch am Empeler Meer gelegen, von Ulmen umwachsen, hat das Haus Empel einen schönen Platz unweit der Landstraße Rees-Isselburg. Jetzt, wo die Kriegsfurie dem Schloß wie auch andern ganzen Geländen schwersten Schaden zugefügt hat, herrscht tiefster Friede in diesem verträumten Winkel. Über 700 Jahre läßt sich die Geschlechterfolge von Haus Empel nachweisen. Die älteste schriftliche Nachricht über diesen adeligen Sitz gehört dem Jahre 1240 an. Hiervon liegen drei Urkunden die in den Ann. der 1. und 2. Zeitschrift Heimatkunde“ 1880 (Fischeln) enthalten sind.


von B.Hoppmann vom Heimatverein Millingen / Empel